Saturday, January 17, 2009

Tagesspiegel: Die Burg für die Bierbrauer wollte lange niemand haben

DER BAU

Die Alte Mälzerei in Pankow gilt als eines der interessantesten Gebäude im Bezirk und war seine erste Industrieansiedlung. Zwischen 1881 und 1897 wurde die Mälzerei im Auftrag der Schultheiss-Brauerei gebaut – auf dem Gelände einer bereits seit dem Jahr 1874 bestehenden Malzfabrik.

DIE GESCHICHTE

In Auftrag gegeben hat die Mälzerei der Begründer der Schultheiss-Brauerei, Richard Roesicke. Die burgähnlichen Klinkerbauten mit Schloten, Türmchen und zinnenartigen Aufbauten sind typische Merkmale der Industriearchitektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Bis 1945 erzeugte die Fabrik pro Jahr 150 000 Zentner geröstetes Malz für die Bierherstellung. Nach dem Zweiten Weltkrieg beendete Schultheiss allerdings die Produktion. Die DDR nutzte das Gebäude als Warenlager der HO (Handelsorganisation). Die letzten 20 Jahre seit der Wende standen die denkmalgeschützten Gebäude leer.

DIE PLÄNE

Der Bezirk wollte ursprünglich Gewerbe auf dem Areal ansiedeln. Mit dem vormaligen Eigentümer, der Brau und Brunnen AG, gab es einen städtebaulichen Vertrag, der Bowlingbahn, Gastronomie und Kino vorsah. Doch kein Investor traute sich – bis 2007 die Terraplan das Areal kaufte. heid

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 17.01.2009)

Tagesspiegel: Neue Mitte

Seit der Wende verfällt die Alte Mälzerei im Zentrum Pankows. Am Montag beginnt ein Investor nun mit der Sanierung. Trotz mehr als 3000 Euro Kaufpreis für den Quadratmeter haben viele Anleger und einige Selbstnutzer Loftwohnungen gekauft

Von Kerstin Heidecke
17.1.2009 0:00 Uhr

Die Backstein-Schornsteine der Alten Mälzerei: Sie sind ebenso Wahrzeichen Pankows wie das Tor zum Bürgerpark oder das Schloss Schönhausen. Schade nur, dass das denkmalgeschützte Ensemble aus dem Jahr 1881 seit der Wende brachlag. Das wird jetzt anders. Das beliebte und meist erfolgreiche Konzept „Umnutzung historischer Industriearchitektur zu Wohnungen“ soll auch das 12 000 Quadratmeter große Areal zwischen Mühlenstraße und Neuer Schönholzer Straße wieder beleben. Ab Montag wird auf dem Gelände zur Freude des Bezirks und vieler „Ureinwohner“ Pankows gebaut. In den vergangenen Wochen wurden schon die alten DDR-Baracken und nicht tragende Bauteile entfernt. Bis zum Sommer 2010 sollen 140 Nobelwohnungen in den Backsteingebäuden entstehen. Rund 40 Millionen Euro nimmt der Nürnberger Mittelständler Terraplan dafür in die Hand.

„Das ist keine billige Baustelle. Angesichts der Größenordnung des Vorhabens war uns schon mulmig“, sagt der Potsdamer Architekt Eric van Geisten, der die Planung für die Mälzerei übernommen hat. Sein Architekturbüro ist zwar erfahren in der Sanierung denkmalgeschützter Bauten – es betreut das Chateau Palmeraie in Potsdam oder das Schützenhaus in Werder –, aber bei der Mälzerei gibt es dann doch ein paar besondere Hürden.

Dazu gehören, wie der Architekt sagt, „die abartigen Gebäudetiefen“ von bis zu 30 Metern. Üblich sind etwa zwölf Meter. Um Licht in die Wohnungen zu bekommen, werden deshalb in einigen Gebäudeteilen die Decken und Dächer entfernt. So entstehen Lichthöfe, die Sonne in die Wohnungen lassen. Die Grundrisse sind so gezeichnet, dass fast jede Wohnung an mehrere Fassaden grenzt. Und fast kein Grundriss gleicht dem anderen. Die Ein- bis Fünfzimmerwohnungen verteilen sich variantenreich auf 45 bis 270 Quadratmeter.

Fünf Gebäudeteile gruppieren sich insgesamt um einen Innenhof, der mit Bänken und Bäumen zu einer einladenden Piazza werden soll. Anders als bei ähnlich gelagerten Projekten wird es auf dem Mälzerei-Gelände – abgesehen von einer Tiefgarage – keinen Neubau geben.

Die zweite große Hürde war eine bauphysikalische. Wie können an der denkmalgeschützten Fassade Wärmedämmung und Schallschutz auf modernen Stand gebracht werden? Mit einigen Kniffen wie hochwertigen Fenstern und Dämmmaterial in den Laibungen hat der Architekt das Problem gelöst.

Von der „super Bausubstanz“, so sagt der Architekt, soll möglichst viel erhalten bleiben, so auch die inzwischen zweckfreien Türmchen und Schlote, die der Mälzerei das charakteristische Profil geben. Trotzdem werden etliche mit Holzschutzgiften aus DDR- und Vor-DDR-Zeit belastete Holzbauteile entfernt werden müssen. Ein Hingucker soll ein historisches Fassadenteil mit Rundbogenfenstern sein, das freistehend in das Ensemble integriert wird.

Geradezu euphorisch ist man im Bezirk. Keinerlei Zoff zwischen Bauamt und Bauherren. So gut und flink klappt’s selten, sagen alle Beteiligten. Zu einer Exkursion aufs Gelände, zu der die Terraplan im vergangenen Jahr geladen hatte, meldeten sich mehr als 1000 Besucher an, zum zweiten Termin fast ebenso viele. Nicht nur der Hauswart, der um die Ecke wohnt und jetzt Neugierigen Grundstück und Musterwohnung zeigt, ist voll des Lobes. Auch Stadtentwicklungsstadtrat Michail Nelken ist froh, dass die Kuh endlich vom Eis ist: „Ein kluger Bauherr und ein guter Architekt haben hier gezeigt, was geht: Ein Konzept, das denkmalgerechte Sanierung und neue Nutzung unter einen Hut bringt – und dabei auch noch wirtschaftlich ist.“

In zwei Bauabschnitten entstehen zunächst die Hesperidenhöfe und die Floratürme, im zweiten Teil die Minervasuiten und die Pomonagärten. „Ich bin jetzt wieder richtig fit in griechischer Mythologie“, sagt Terraplan-Marketingchef Tobias Danker heiter. Die ornamentreichen Fassaden haben das Nürnberger Team zu der Namensgebung inspiriert, die sich im Projekt wiederfinden soll. So werden die Hesperidenhöfe, benannt nach den Nymphen aus der Antike, goldene Früchte, na ja, Orangen- und Zitronenbäume bekommen. In den Pomonagärten, für die die altrömische Frucht- und Gartengöttin ihren Namen gab, sollen Hortensien, Spalierobst und ein Erlenhain wachsen.

Beim Verkauf hat die Terraplan offenbar auch von äußeren Faktoren profitiert: gute Infrastruktur, sanierte Straßen rund um das Objekt, Nähe zum Prenzlauer Berg mit seinen Cafés und Läden. Die Sache mit dem Fluglärm soll sich ja bis 2012 erledigen. „Wir haben mehr als drei Viertel der Wohnungen schon vom Plan weg verkauft“, sagt Tobias Danker. Und das trotz des Preises von 3150 Euro pro Quadratmeter. Nur 20 Prozent der Käufer werden ihr Garten-Loft oder die Galerie-Maisonette selbst nutzen, die meisten Eigentümer sind Kapitalanleger. In den alten Kontorhäusern wird es übrigens keine Wohnungen geben, sie werden zur Orangerie umgebaut: Dort sollen die Zitruspflanzen überwintern.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 17.01.2009)

Lesen Sie auch:

Hinweis:

Alle auf diesen Seiten veröffentlichten Fotos und Texte sind, wenn nicht anders angegeben, (C) Daniel Prusseit, 13187 Berlin. Verwendung dieser Materialien nur mit ausdrücklicher Genehmigung.